Es lebe der Sport!

Es lebe der Sport!

Sport ist durchaus auch für Juristen von Interesse; spätestens aber dann, wenn seine Ausübung in Schadenersatzansprüche und Versicherungsstreitigkeiten gemündet hat. Und so musste der Oberste Gerichtshof jüngst an einem Tag gleich zwei einschlägige Urteile fällen (OGH 7 Ob 197/18y und OGH 7 Ob 171/18z je vom 31.10.2018).

Wie man eine Sportveranstaltung erkennt ….

„Versicherungen versichern am liebsten Eisenbahnschienen unter Wasser gegen Feuer“, wird oft ironisch angemerkt. Natürlich müssen Versicherungen ihr Risiko betriebswirtschaftlich vernünftig einschränken und dürfen „ein nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko“ von der Deckung ausnehmen, um „eine sichere Kalkulation der Prämie“ zu ermöglichen. Sie bedienen sich dabei der allseits beliebten Versicherungsbedingungen, die über viele Seiten versicherte und nicht versicherte Risken definieren.

In der Vollkaskoversicherung (Allgemeine Bedingungen für die Vollkaskoversicherung, VK 2013) sind nach Art 6 Schadensereignisse von der Versicherung ausgeschlossen, „ die [unter anderem] bei der Verwendung des Kraftfahrzeugs bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung oder ihren Trainingsfahrten entstehen; auf Straßen mit öffentlichem Verkehr jedoch nur dann, wenn es dabei auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt.“

Woran erkennt man nun eine kraftfahrsportliche Veranstaltung? Der stolze Besitzer eines Nissan GTR“ mit 485 PS Motorleistung nahm im September 2015 in Kroatien an einer viertägigen Charityrallye teil, deren Erlös gespendet wurde. Teilnehmende Fahrzeuge mussten in der Regel eine Motorleistung von zumindest 200 PS aufweisen. Nach einer Aufstellung am Hauptplatz des Veranstaltungsortes für die Bevölkerung begaben sich die rund 100 Teilnehmer zu einer angemieteten Rennstrecke und befuhren diese im Konvoi. Dabei wurden die Fahrzeuge vom Veranstalter gefilmt und fotografiert. Die Rennstrecke konnte von den Teilnehmern frei befahren werden, man erreichte dabei Spitzengeschwindigkeiten von 150 km/h. Allerdings fand während der Veranstaltung kein Wettbewerb statt, es wurde keine Wertung vorgenommen und es erfolgte keine Preisverleihung.

Die Rennstrecke selbst war in einem schlechten Zustand (Wellen und Schlaglöcher). Nachdem er schon einige Runden gedreht hat, näherte sich ein Teilnehmer mit einer Geschwindigkeit von etwa 140 km/h bis 150 km/h einer Linkskurve von etwa 90 Grad und führte eine Vollbremsung durch. Dabei kam es wegen der schlechten Fahrbahnbeschaffenheit, wie es kommen musste: der Nissan GTR geriet, wie das Gericht mathematisch exakt feststellte, „tangential aus der Kurve“ und kollidierte letztendlich außerhalb der Rennstrecke mit einem festmontierten Reifenstapel. Reparaturkosten am Nissan GTR: fast 50.000,00 EUR.

Verunfallte das Fahrzeug bei einer „kraftfahrsportliche Veranstaltung „? Nach der Definition des Obersten Gerichtshofs versteht man unter Sport „sowohl […] Körper- und Bewegungskultur als auch […[] Wettbewerbs- und Wettkampfkultur.“ Sport und somit auch der Kraftfahrsport setze daher nicht zwingend eine Wettbewerbs- oder Wettkampfsituation voraus. Abzustellen sei auf den „verständigen Versicherungsnehmer“ und dieser verbinde „mit dem Begriff Kraftfahrsport eine Leistungsbewertung, entweder in Form eines Leistungsvergleichs, sei es zwischen dem Können der Fahrer oder den Leistungen der Fahrzeuge, sei es eine Steigerung (vgl Trainingsfahrten) oder eine Zurschaustellung dieser Leistungen. Unter einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung im Sinn der Versicherungsbedingungen ist damit die Teilnahme an einem solchen Leistungsvergleich, einer Steigerung oder Zurschaustellung dieser Leistungen zu verstehen, bei welcher gewisse Voraussetzungen zu erfüllen sind, die in Form von Ausschreibungen im Vorhinein festgelegt werden.“

Da im zu beurteilenden Fall lediglich die Fahrzeuge selbst zur Schau gestellt wurden, liegt keine kraftfahrsportliche Veranstaltung vor.  Dagegen spräche auch nicht, dass die Fahrzeuge mindestens 200 PS haben mussten, die Demonstration dieser Leistungsstärke wäre nicht Teil der Veranstaltung gewesen. „Rollende Ausstellungen …teilweise auf einer abgesperrten Rennstrecke“ änderten daran nichts. Die Versicherungsbedingungen nähmen auch keinen Bezug zum Fahren auf Rennstrecken.

Fazit: Mit mehr als 200 PS starken Boliden bei 150 km/h im Konvoi über eine Rennstrecke brettern hat nichts mit Kraftfahrsport zu tun, es liegt bloß eine rollende Ausstellung vor.

… und das Ende eines Klettersteiges

Nachdem der Rechtsunterworfene nun Kraftfahrsport vom sonstigen „wie ein Trottel mit den anderen im Kreis fahren“ (O-Ton eines nicht ganz unbekannten östereichischen Kraftfahrsportlers, Berufspiloten und Airlineeigners) unterscheiden kann, darf man sich der Frage widmen, woran der durchschnittliche Rechtsunterworfene das Ende eines Klettersteiges erkennt und wo hingegen dieses Ende dessen Unfallversicherung vermutet.

Kletterunfälle – im Freien und in der Halle – waren im zu beurteilenden Fall als vom Versicherungsschutz umfasst, wenn der Klettersteig die Schwierigkeitsstufe D nicht überstieg (Art 20 Z 10 Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung 2010, AUVB 2010, Fassung 09/2014). Nachdem der Kläger einen Klettersteig der Schwierigkeitsstufe E, über den er aufgestiegen war, über dessen Ausstieg verlassen und am Gipfel eine Pause gemacht hatte, begann er den Abstieg über einen anderen gut ausgetretenen Klettersteig der Schwierigkeitsstufe A/B, der in der Folge zu einem Wanderweg führt. Auf diesem „gut ausgetretenen Klettersteig der Schwierigkeitsstufe A/B“ ereignete sich dann ein Unfall.

Nach der Rechtsansicht der beklagten Unfallversicherung hätte „erst das Erreichen des Wanderwegs [ … ] die mit dem Durchsteigen der Klettersteige verbundenen Gefahren beendet und zum zeitlichen Ende des Risikoausschlusses geführt, weshalb auch der sich auf dem Verbindungssteig mit dem Schwierigkeitsgrad A/B ereignet [habende] Unfall vom Risikoausschluss“ erfasst sei.

Da der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer nicht nur den „Kraftfahrsport“ richtig definieren kann, weiß er auch, dass „bei einer Begehung mehrerer (Kletter-)Steige im Zuge einer Wanderung der sich nach dem Ausstieg aus einem Klettersteig über der Schwierigkeitsstufe D auf einem Klettersteig bis zu dieser Schwierigkeitsstufe ereignende Unfall jedenfalls vom Versicherungsschutz umfasst ist, noch dazu wenn er auch ohne Verwendung des Klettersteigs der Schwierigkeitsstufe E erreicht werden kann.“ Der Oberste Gerichtshof folgte in seiner Entscheidung damit wenig überraschend diesem vorgefundenen Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und sprach die Leistung aus der privaten Unfallversicherung zu. Merke: Auch unfallversicherungsrechtlich endet ein Klettersteig der Schwierigkeitsstufe E am Ende des Klettersteiges der Schwierigkeitsstufe E und nicht erst am Ende des folgenden Klettersteiges der Schwierigkeitsstufe A/B.

Ganz allgemein führte der Oberste Gerichtshof zudem aus, dass „ (Risiko-) Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden [dürfen], als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert“, da sie Ausnahmetatbestände seien, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen.

Die Schwierigkeitsgradeskala für Klettersteige könnte man auch auf Versicherungsrechtsfälle anwenden: Der Nissan-GTR-Kraftfahrsportfall hat wohl Schwierigkeitsgrad D, währenddessen der Klettersteigfall Mühe hat, den Schwierigkeitsgrad A zu erklimmen.

11.01.2019

Der Autor Dr. Karl Krückl, MA LL.M war von 1985 bis 2018 Rechtsanwalt in Linz/Donau, Österreich, ist nunmehr emeritiert und Of Counsel der Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH, gleichfalls in Linz.